Koffer to go

Es ist früh am Montag. Noch stehen die Telefone im Rathaus still. Um 6:30 Uhr steigt der Hausmeister in den ersten Stock des Neubaus und sieht einen Koffer auf der letzten Treppenstufe stehen. Er stellt ihn beiseite, damit niemand darüber fällt.

Im Laufe der nächsten zwei Stunden trudeln die Bediensteten ein. Sie benutzen insgesamt vier Eingänge. Gegen 7 Uhr gibt es einen weiteren Kontakt mit dem Koffer. Kollegin Ala bleibt davor stehen und denkt sofort: „Eine Bombe!“ Kollegin Beta – eilig hinzugerufen – denkt dasselbe, unterstützt von Kollegin Cice, die die Runde vergrößert. Kollege XY, als männliche Verstärkung mit Mut und Abenteuerlust ausgestattet, tritt erst mal vor das Ding und stellt fest: „Nein, das ist keinen Bombe! Ich guck‘ da jetzt rein.“

Der Koffer wir aufgeklappt und siehe da: Es ist eine Quetschkommode! „’Wem könnte denn die gehören? Hatte Kollegin Deli  nicht am Wochenende so eine Kinderveranstaltung? Wir stellen das Akkordeon bei ihr rein!“ Alle sind sich einig und so erhält die besagte Kollegin in Abwesenheit ein Akkordeon. Die Empfangsdame am Eingang wird noch schnell informiert und alles beruhigt sich.

Einen Tag später steht der Besuch der Lesezauber-Kinder im Seniorenheim an: Vorlesen, Spielen und gemeinsames Singen mögen die alten Menschen besonders gern. Ich greife unter den Tisch, um das Akkordeon hochzuholen – es ist nicht da! „Wie kann das sein?“ rufe ich laut. „Ich hatte es doch vor wenigen Tagen abends  die Treppe raufgeschleppt. Es muss da sein! “

Beim Fundbüro geht keiner ans Telefon und ich denke nach. Wenige Minuten später überreicht mir die Kollegin am Empfang mit einem breiten Lächeln einen Zettel: „Ihr Akkordeon ist bei Kollegin Deli im ersten Stock!“

Und so finde ich mein kleines Akkordeon wieder. Kommentar auf dem Gang: „In einem ordentlichen Haushalt geht nichts verloren –  sagte die Hausfrau, als sie den Socken aus dem Sauerkraut zog!“

Und was singen wir jetzt?

Was Kleines

Der goldene Oktober ließ sich in diesem Jahr nicht lumpen: Die Sonne lachte der drohenden Herbstdüsternis entgegen und alle freuten sich auf das nahe Wochenende. Die Rathausflure leerten sich daher an diesem Freitag bereits ab 12 Uhr, so dass auf den Gängen nur noch wenige Kolleginnen und Kollegen anzutreffen waren. Meine Tür war lose angelehnt, als es gegen 14 Uhr klopfte.

Ich sagte „herein“ und kurz darauf wurde eine Nase sichtbar, verschwand wieder und Gogols Erzählung blitzte kurz in mir auf. Doch dann öffnete sich meine Tür und der Nasenbesitzer wurde sichtbar. Konzentriert versuchte er, mein Türschild zu entziffern, schaute auf, blickte mich an, schaute wieder zurück auf das Schildchen und fragte dann formvollendet:
„Wat machen Sie?“
Bereitwillig gab ich Auskunft. „Interkulturelle Leseförderung, so steht es auch auf dem Türschild.“
Der Mann überlegte nicht lange und trat ein. „Wunderbar! Dann kann ich ja bei Ihnen die Baugenehmigung bekommen!“
Ich war erstaunt, gestattete mir jedoch eine sachgerechte Nachfrage. So ernst wie möglich entgegnete ich: „Was genau möchten Sie denn bauen?“
„Och, nur wat Kleines“, antwortete er so bereitwillig wie ungenau.
„Aha, alles klar!“, antwortete ich und verkniff mir das Lachen. „Wissen Sie, im Rahmen der interkulturellen Leweförderung mache ich hier nur die großen Dinger, für die kleinen kommen Sie am besten am Montag wieder. Ab 8 Uhr sind die Kolleginnen und Kollegen vom Bauamt, oben in der dritten Etage, gerne für Sie da.

Gallien – Rom – Solig

In meiner Kindheit waren Comics verpönt. Die Bewahrpädagogen verlangten von uns, sie gegen sogenannte „gute Bücher“ wegzutauschen. Mir war das ziemlich egal, las ich doch alles, was mir in die Quere kam. Da merkt man gar nicht, dass was fehlt.
Eine Comic-Serie hatte mich dennoch in den Bann gezogen: „Asterix und Obelix“ von Uderzo und Goscinny. Die lasen wir damals in der Schule heimlich unter der Bank und riskierten den Eintrag ins Klassenbuch gerne. Die Alben wurden zum Teil verfilmt und der dritte Zeichentrickfilm „Asterix erobert Rom“ spielt in einem Rathaus. Die beiden Helden müssen als Aufgabe eine „Formalität verwaltungstechnischer Art“ erledigen: Sie brauchen den Passierschein 38, angeblich an Schalter 1 zu bekommen. Der Pförtner schickt die beiden ins Erdgeschoss, linker Gang, letzte Tür rechts. Dort gibt es aber keine Tür, daher nehmen Asterix und Obelix die linke Tür. Dort wackelt ein Beamter auf einem Schaukelstuhl hin und her und schickt die beiden Ruhestörer in den 6. Stock. Von dort geht es wieder ins Erdgeschoss, wo jetzt an Schalter 1 erstmal das rosa Formulat verlangt wird, erhältlich an Schalter 2. Diese Geschichte geht hier weiter: …http://www.comedix.de/lexikon/db/haus_das_verrueckte_macht.php
Wir springen ins 21. Jahrhundert und befinden uns im Neubau des Solinger Rathauses. Eine junge Frau läuft über den Gang des Stadtdienst Soziales, besser bekannt als Sozialamt. Weiterlesen