Gallien – Rom – Solig

In meiner Kindheit waren Comics verpönt. Die Bewahrpädagogen verlangten von uns, sie gegen sogenannte „gute Bücher“ wegzutauschen. Mir war das ziemlich egal, las ich doch alles, was mir in die Quere kam. Da merkt man gar nicht, dass was fehlt.
Eine Comic-Serie hatte mich dennoch in den Bann gezogen: „Asterix und Obelix“ von Uderzo und Goscinny. Die lasen wir damals in der Schule heimlich unter der Bank und riskierten den Eintrag ins Klassenbuch gerne. Die Alben wurden zum Teil verfilmt und der dritte Zeichentrickfilm „Asterix erobert Rom“ spielt in einem Rathaus. Die beiden Helden müssen als Aufgabe eine „Formalität verwaltungstechnischer Art“ erledigen: Sie brauchen den Passierschein 38, angeblich an Schalter 1 zu bekommen. Der Pförtner schickt die beiden ins Erdgeschoss, linker Gang, letzte Tür rechts. Dort gibt es aber keine Tür, daher nehmen Asterix und Obelix die linke Tür. Dort wackelt ein Beamter auf einem Schaukelstuhl hin und her und schickt die beiden Ruhestörer in den 6. Stock. Von dort geht es wieder ins Erdgeschoss, wo jetzt an Schalter 1 erstmal das rosa Formulat verlangt wird, erhältlich an Schalter 2. Diese Geschichte geht hier weiter: …http://www.comedix.de/lexikon/db/haus_das_verrueckte_macht.php
Wir springen ins 21. Jahrhundert und befinden uns im Neubau des Solinger Rathauses. Eine junge Frau läuft über den Gang des Stadtdienst Soziales, besser bekannt als Sozialamt.
Um 11:15 Uhr sehe ich sie zum ersten Mal auf der ersten Etage. Um 11:30 Uhr kommt sie die Treppe herunter und schaut im Erdgeschoss von Türschild zu Türschild. Gegen 12 Uhr steht sie mit mir am Fahrstuhl und fährt hinauf ins dritte Obergeschoss, sie wirkt nervös. Gegen 13 Uhr öffne ich schwungvoll meine Zimmertür um etwas aus dem Drucker zu holen und stoße fast mit ihr zusammen. Sie liest mein Türschild „Interkulturelle Leseförderung“ und starrt mich mit aufgerissenen Augen an. Blass ist sie, kleine Schweißtropfen perlen auf ihrer hübschen Nase. Atemlos stößt sie die Worte aus: „Wie komm‘ ich denn hier raus?“
Und ich reiße mich zusammen und sage nicht: „Ooch, raus kommen sie hier nur montags zwischen 15 und 16 Uhr, leider ist heute Freitag.“ Nein, ich nehme die junge Frau am Arm, lächle sie an und führe sie mit den Worten: „Hier kann man sich ja auch wirklich verlaufen!“ aus dem schönen, neuen Rathaus heraus.

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