Die Burgen-Oma

Ich stamme aus einer kinderreichen Familie: Vater, Mutter und fünf Kinder. Aufgewachsen im Bergischen Land lebten unsere Verwandten für unsere Begriffe weit weg. Nach Spenge, Suttorf oder Sennestadt zu fahren war eine kleine Weltreise. Unsere beiden Omas konnten wir gut unterscheiden: die Oma mit den weißen Haaren und die Oma mit den schwarzen Haaren. Die „schwarze Oma“ besuchte uns jedes Jahr zu Weihnachten und blieb manchmal bis Ostern. Sie stammte aus Oberschlesien und war daheim in einer Burg. Ja wirklich, in der Werburg in Spenge! Ritter gab es dort keine mehr, und meine schwarze Oma sah auch nicht aus wie ein Burgfräulein. Früher war sie eine glutäugige Schönheit gewesen, aber jetzt war sie eher ein bisschen dick. Das machte uns nichts aus, Hauptsache sie kochte nicht diese eklige schlesische Biersuppe für uns. Ich sehe meiner Oma, Klara Elsner, übrigens sehr ähnlich. Auf einem Treffen in Telgte, wo sich die schlesischen Vertriebenen aus der Grafschaft Glatz jährlich immer noch treffen, wurde ich sofort als ihre Enkelin erkannt.

Das Herrenhaus der Werburg Spenge (© Wikipedia)

Ich glaube, es war der Sommer im Jahr 1965, in dem mein Bruder Martin, meine Vater und ich ein paar Wochen in der Werburg verbrachten. Ich war acht Jahre alt, mein Bruder fünf und mein Vater 35. Er war der einzige Sohnn  der „schwarzen Oma“. Draußen schien hell die Sonne, in der Werburg war es hingegen düster, dunkel fast. Die Bewohnerinnen und Bewohner hatten vor ihren Türen Vorbauten aus diversen Möbelstücken errichtet, so dass noch weniger Licht durch die Fenster drang. Der Vorbau meiner Oma war sehr spannend, da konnte ich alles finden: alte Zeitschriften, Bücher, Knöpfe, Töpfe, ein altes, schwarzes Fahrrad, das sogar noch fuhr, tönerne Gurkenfässer, Stöckelschuhe, Hüte, Stoffreste und altes Geschirr. Diese Ferien würden spannend werden, da war ich mir sicher. Die Mitbewohner der Werburg wirkten etwas misstrauisch, nachdem wir das große Haupttor durchschritten hatten. Mit kalkweißen Gesichtern beäugten sie uns bei der Ankunft, als seien sie die Burggespenster. Sie erwiderten unsere Begrüßung nicht. Wahrscheinlich konnten sie Kinder nicht ausstehen.

„So, jetzt aber rein mit Euch“, rief meine schwarze Oma, und wir verschwanden in ihrer Ein-Raum-Wohnung. Diese war recht vollgestopft, aber sauber unterteilt. Zur Rechten, nach hinten abgeteilt durch eine dunkle Schrankwand, die kleine Küche. Zur Linken ein großer Spiegel mit Parfüms und Cremes davor – das Badezimmer. Weiter geradeaus war das Wohn- und Schlafzimmer: links eine gemütliche Couch, daneben eine Musikbox, dann ein Schrank und hinten rechts in der Ecke Omas Bett mit dickem Plumeau. Die schwarze Oma rief: „Es gibt Rührei, geht noch mal zur Toilette und wascht Euch die Hände!“

Oh jeh, ich wusste schon, was uns erwartete, aber mein kleiner Bruder Martin war zum ersten Mal hier. Es gab nämlich nur eine Toilette in der ganzen Werburg und das war ein Plumpsklo. Wenn man drauf saß, dauerte es immer eine Zeitlang, bis es unter einem platschte. Ich hielt mich immer angestrengt irgendwo fest, um nicht hinterher zu plumpsen. Klopapier gab es auch keines: Stattdessen hing an der Tür ein Haken mit zugeschnittenem Zeitungspapier.  Kaum war ich fertig, stand ich draußen und japste nach Luft. „Martin, Du kannst jetzt drauf, aber halt dich gut fest! Im Stehen geht es nicht, das Klo ist zu hoch!“ Der kleine Martin verschwand, ohne die Tür abzuschließen, so konnte ich ihn wenigstens eventuell retten, falls er ins Klo fallen sollte.

Ich versuchte nun, mir die Hände zu waschen und pumpte am Prengel einer Pumpe das Wasser hoch. Dafür brauchte ich beide Hände. Links neben mir schoss das Wasser aus der Leitung und verschwand sofort im Ausguss. Ich ließ den Pumpenprengel los und lief, beide Hände vorgestreckt, zum Wasser. Doch kaum war ich da, wo das Wasser austrat, versiegte der Wasserstrahl, weil ja niemand mehr pumpte. So sehr ich auch rannte und pumpte, ich war immer zu spät. Doch wozu hat man einen kleinen Bruder?

Erst pumpte Martin und ich wusch mir die Hände, dann pumpte ich für ihn. Für meinen Vater pumpten wir beide gemeinsam, so dass mein Vater ordentlich viel Wasser abbekam und ganz bespritzt zum Rührei erschien.

Weil er die Bibliothekarin liebte

Ich stehe vor dem Spiegel im Sportstudio, auf den Schultern rechts und links je ein 2½-kg-Gewicht. „Das reicht“, denke ich mir, „hab’ ja schließlich heute genug Bücher geschleppt.“ Neben mir ein junger Mann, groß, dunkler Teint, der mich freundlich anlächelt. „War der nicht letzte Woche auch schon da?“, frage ich mich. „Genauso nett lächelnd?“

Ich bin mir nicht sicher, und nach Bauch, Beine, Po, Rücken, Bizeps, Trizeps usw. endet die Stunde mit einem kleinen Stretching. Beim Wegräumen der Gewichte, des Steppers und der Matte hält der junge Mann inne, dreht sich zu mir um und fragt: „Erinnerst Du Dich an mich?“ Ich gucke völlig blöde und gestehe: „Nein, kennen wir uns denn?“

„Ich war doch jeden Tag in der Kinderbücherei und habe gelesen. Und Du hast mit mir gespielt.“

„Tatsächlich? Wann war das denn?“

„Och, so vor 25 Jahren, ich war total in Dich verliebt. Ich heiße Serhat, weißt Du das nicht mehr?“

Ich weiß es nicht mehr und staune über diesen jungen Mann, der mir erzählt, dass er damals als Hauptschüler seine Qualifikation für das Gymnasium geschafft hat, dass er studiert hat und Ingenieur geworden ist und heute selbst junge Menschen ausbildet. Er wäre diesen Weg sicher nicht gegangen, wenn er damals nicht jeden Tag in die Bücherei gekommen wäre, um mich zu sehen. Und nun ist er selbst Vater und hat einen Jungen, der Bücher liest!

Jetzt freue ich mich auf die nächste Body-Bump-Stunde: Hoffentlich ist Serhat wieder da!

Ostern ist …

Kurz nach Weiberfastnacht ging die Diskussion in der Vorlesegruppe los. „Was soll denn das mit dem Verkleiden und bunt Anmalen?“, fragten die Kinder und Jugendlichen, die alle einen Migrationshintergrund haben und aus Sri Lanka, Albanien, Russland oder der Türkei stammen. „Die Leute benehmen sich ja so komisch, singen laute Lieder und machen auf lustig.“ „Ok, dann nehmen wir eine kleine Auszeit und erklären das mal gründlich“, beschlossen wir Großen und ließen das Vorlesecoaching ausfallen. Wir diskutierten den Karneval rauf und runter und kamen im Anschluss zur Fastenzeit.

„In der Fastenzeit verzichten die Christen auf etwas, dass sie gerne mögen. Das ist anders als im Ramadan, denn die Christen essen ganz normal, aber zum Beispiel Schokolade oder süße Plätzchen essen sie ganz bewusst nicht. Was das ist, entscheidet jeder für sich selbst. Auch Gummibärchen oder Lakritz kann man wählen, um Verzicht zu üben.“

Nun war Ostern nicht mehr weit, so dass wir das Osterfest gleich auch noch erklärten. „Jesus ist für die Menschen gestorben, lag an Karfreitag und Karsamstag im Grab und ist dann auferstanden. Damit hat er die Christen erlöst. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Religion der Christen und Juden gleich“, erkläre ich, als die Tür aufgeht und Enes, unser Ältester, reinkommt. Er wird bald 17 und lauscht staunend der Diskussion darüber, was Auferstehung ist und wie der Jesus denn tatsächlich in den Himmel gekommen ist.
Ich unterbreche. „Wer kann jetzt noch mal zusammenfassen, was genau Ostern ist?“, frage ich in die Runde. Drei Finger schnellen hoch. Methaki erhält das Wort und erklärt:

„Ostern? Das ist ganz einfach! An Ostern ist Jesus hochgegangen!“

Plötzlich flog ein Enkelkind vorbei

Es ist laut im Leseraum. 17 Kinder und Jugendliche aus aller Herren Länder sind an diesem Freitagnachmittag gekommen, um das Vorlesen von Weihnachtsgeschichten zu üben. Eine Woche später steht nämlich der Besuch im Altenheim an: Dort sollen diese vorgetragen werden.

„Es ist 15 Uhr! Alle packen jetzt die Handys weg, wir fangen an!“ rufe ich laut in die Runde. Unter allgemeinem Gemaule wird das widerwillig erledigt und das Vorlesetraining beginnt in mehreren Übungsgruppen. Unser Ältester – er ist 16 Jahre alt – hat die Geschichte vom Schutzengel geübt und beginnt, sie mir laut vorzulesen. „Ein alter Engel saß auf einer Wolke und dachte nach. Da flog plötzlich ein Enkelkind vorbei.“ „Was?“, rufe ich. „Ein Enkelkind? Das ist doch gefährlich! Steht das wirklich im Text?“ „Ehm ja, da steht Enkelkind! Ach nee, Engelkind.“ merkt er dann.

In der zweiten Gruppe wird gerade ein Weihnachtswitz vom kleinen ‚Fritschen‘ geübt, das vom ‚Fahrer‘ beim Klauen erwischt wird. Wir Großen erklären, was denn ein Pfarrer ist und nähern uns dabei langsam dem Weihnachtsfest, den Krippen und dem Jesuskind.

„Wenn man die ‚Krippe‘ hat, ist man doch krank, oder? Wieso liegen denn das Christkind und der Jesus zusammen mit einer ‚Krippe‘ krank in einem Stall?“ Alle fragen durcheinander und so erklären die Erwachsenen erstmal die Weihnachtsgeschichte von ganz vorne.

Der nächste Engel ‚schmulzte‘, eine neue Kurzform von ‚schmunzelte‘. Dann kommt jemand aus finsterem ‚Tant‘, denn ‚Tann‘ kannte die junge Vortragskünstlerin nicht. Ob die Engel weiß oder weise waren, war nicht herauszubekommen. Aus ‚Schelmenpack‘ wurde ‚Schelmenpeck‘ und der Autor heißt Hoffmann von Felixleben.

Wohe Freihnachten! Lasst die Enkelkinder fliegen!

Neujährchen

Das neue Jahr begann sonnig und der gute Vorsatz, mehr zu lesen, war bestens vorbereitet. Das Buch „Titos Brille“ von Adriana Altaras lag schon auf dem Sofakissen, als es schellte. Jason, Fynn, Valentina und Meike – alle zwischen fünf und neun Jahre alt – wollten rein. Hinter ihnen lag haufenweise Böllermüll, auch die Fetzen der Knallerbsen, die Jason am Sylvesterabend vergnüglich und direkt vor meiner Haustür zum Platzen gebracht hatte.

„Ihr wolltet doch heute schon um 11 Uhr alles kehren!“, gab ich als Antwort. „Wo wart Ihr denn?“ „Ach, da mussten wir noch schlafen!“ meinte Meike keck. „Hast Du Hühnersuppe?“ „Ja klar!“ antwortete ich und lächelte die Bande verführerisch an. „Und frische Brötchen und Nutella sind auch da! Kommt, wir kehren gemeinsam alles zusammen und dann futtern wir!“

Etwas maulig packte sich Meike den Besen. „Wir wollten bei dir spielen und überhaupt: Warum muss ICH den Dreck jetzt wegräumen? Ich hab‘ den nicht gemacht!“ Die kleine Valentina war noch pfiffiger: „Meine Mama hat gesagt, ich muss hier nicht kehren!“

Jason schnappte sich jedoch das Kehrblech und den Handfeger und ich suchte die kleinen, goldenen Raketenteilchen auf, die der Valentina so gut gefielen, so dass sie ganz aus Versehen mithalf.

Fynn erzählte haufenweise Geschichten und drängelte: „Darf ich jetzt mal den Besen haben?“ Ich fühlte mich wie Tom Sawyer beim Zaunstreichen und eine Stunde später war der Platz sauber und die Kinderbande eroberte die Waschbecken. Nachdem die Hände sauber waren, war das Badezimmer richtig schön dreckig. Dann haben wir mit Klavier- und Trommelbegleitung „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ gesungen und alle Spielzeuge im Wohnzimmer verteilt. Die wackelnde Sonnenblume verlor immer ihre Blätter, sie sang aber tapfer und beständig „You are my sunshine, my only sunshine …“

Endlich war die Suppe warm, die mit oder ohne Nutellabrötchen genommen wurde. Weil Fynn aber die Plastik-Kakerlake immer zu Valentina laufen ließ, suchte sie bei mir Schutz und deshalb ist der beige Sessel jetzt voller Nutella. Ich geh‘ jetzt mal schrubben und aufräumen: Mit dem Lesen fange ich dann morgen an.

Vom Vorlesen der Löcher

Es regnete in Strömen. Die Kinder und Jugendlichen der Gruppe „Lesezauber im Seniorenheim“ betraten das Altersheim. Alle waren gut vorbereitet, hatten geübt und ihre Bücher dabei. Die Seniorinnen und Senioren standen schon parat und lächelten voller Vorfreude. Die großen Mädchen gingen in die Wohngruppe der Demenzkranken. Ihr  stetiges Kichern war auf einmal verschwunden, sie lasen sehr gut und auch das Lied von der Vogelhochzeit klappte. Die alten Leute strahlten richtig beim Singen.

Die beiden russischen Mädchen begrüßten ihren Landsmann artig und gaben ihm die Hand. Er saß – wie immer – im Rollstuhl, früher war er LKW-Fahrer. Literatur war noch nie so sein Ding, aber das Vorlesen der Nachrichten aus einer russischen Internet-Zeitung gefällt ihm. Dabei war auch eine hübsche, russische  Praktikantin als Betreuerin. Die gefiel unserem LKW-Fahrer auch.

Die kleinsten Mädchen der Gruppe kommen aus Sri Lanka und Aserbaidschan. Sie waren mit dem Märchen vom ‚Tapferen Schneiderlein‘ gut ausgestattet. Ihre alte Dame war früher Schneiderin und erzählt nach dem Vorlesen immer. Wenn sie von ihrem verstorbenen Mann erzählt, sind ihre Geschichten traurig: Dann weinen alle. Deshalb geht immer ein Erwachsener mit.

Unser ‚Großer‘ – 14 Jahre alt, 1,80 Meter groß und kräftig – musste dieses Mal allein vorlesen. Sein Vorlesepartner war heute verhindert und wir erwachsenen Begleiterinnen und Begleiter trauten es ihm gerne zu. „Wir treffen uns in einer Stunde wieder hier unten in der Caféteria. Das ist um halb fünf, ok?“ Alle riefen „ok“ und liefen los. Eine Stunde später waren alle wieder da, nur unser ‚Großer‘ fehlte. Um kurz vor fünf kam er angehechtet.

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Du sollst beim Vorlesen nicht nudeln!

Seit einem Jahr üben wir. Die Gruppe heißt „Lesezauber im Seniorenheim“ und besteht aus 15 Mädchen und Jungen im Alter von 8 bis 15 Jahren. Alle haben einen Migrationshintergrund – die türkischen Kids sind zum Teil schon in der dritten Generation in Deutschland und antworten auf die Frage, wo sie geboren wurden, erstaunt und etwas angenervt mit „Klinikum!“. Die tamilischen, aserbaidschanischen und russischen Kinder sind fast alle erst vor kurzem zugewandert. Alle sind sehr motiviert und wollen den Menschen im Altersheim Freude bringen und Geschichten vorlesen. Die Regeln für das gute Vorlesen haben wir jetzt 10 Monate lang besprochen und trainiert. Wir wiederholen:

  • Man kann nicht aus einem Buch vorlesen, wenn man das Buch vergessen hat!
  • Man muss die Gefühle mitlesen!
  • Man soll die Zuhörer beim Vorlesen immer schön angucken!
  • Die Zuhörer wiederum gucken den Vorleser oder die Vorleserin an! Sie schlürfen während des Vorlesens nicht aus der Teetasse.
  • Lachanfälle beim Vorlesen sind doof, vor allem wenn die Geschichte gerade nicht lustig ist.
  • Man darf beim Vorlesen nicht nudeln! „Nudeln?“ schreit die Vorlesebande, „oh, lecker Nudeln, können wir uns Nudeln kochen? Oh bitte…!“ Weiterlesen

Safran backt Kuchen

Immer freitags findet das Vorlesetraining für 10 Kinder und Jugendliche statt. Sie möchten alten Menschen in Seniorenheimen Geschichten vorlesen und damit ein Stündchen Freude schenken. Das Training ist anstrengend, alle Kids haben einen Migrationshintergrund und finden das Lesen sehr anstrengend. Gestartet wird immer mit einer Tasse Tee, die nach allen Regeln der Benimmkunst getrunken werden muss, denn schließlich möchten wir mit den Senioren auch mal in die Caféteria gehen und uns dort nicht blamieren.

In der letzten Stunde war das alte Kinderlied „Backe, backe Kuchen“ dran.

Lange haben die Kinder über die vorletzte Zeile nachgedacht. ‚Safran macht den Kuchen gehl.‘ Eine rätselhafte Zeile, was mag sie bedeuten? Nach einigen Vorschlägen, die wieder verworfen wurden, einigten sich die Kids auf folgende Fassung: „Der Typ heißt Safran und er macht Gel in den Kuchen.“

Alle waren sich einig, dass sie diesen Kuchen auf keinen Fall essen würden.

Backe, backe Kuchen,
Der Bäcker hat gerufen.
Wer will guten Kuchen backen,
der muss haben sieben Sachen,
Eier und Schmalz,
Zucker und Salz,
Milch und Mehl,
Safran macht den Kuchen gehl!
Schieb, schieb in’n Ofen ’nein.

Monstertanz

Es war Halloween, die Nacht war dunkel und kalt.

Ich musste abends noch mal weg und schrubbte mir im Badezimmer die Zähne. Ausgerechnet jetzt klingelte es an der Tür und ich stürzte raus, mit Zahnbürste im und Schaum vor dem Mund und schon im Mantel.

„Huch! Wer bis Du denn?“ Erschrocken wich ich einen Schritt zurück. 

„Ich bin ein Monster!“ hörte ich eine piepsige Stimme hinter der Gruselmaske flüstern. Das Monster sah allerdings aus wie ein kleiner Trauerkloß.

„Ja, und was kannst Du so? Schräg singen vielleicht?“ Ich versuchte Zeit zu gewinnen und dachte angestrengt darüber nach, wo ich denn noch Süßigkeiten zum Verschenken finden könnte. An Halloween hatte ich gar nicht gedacht. 

„Wie, was kannst Du? Nix!“ kam als Antwort zurück. „Es ist Halloween, da muss man nix können!“ Das Monster hatte eine arg verdreckte Sweatjacke an und hielt mir eine völlig leere Plastiktüte hin.

„Also nee“, antwortete ich, „für maskiertes Rumstehen gibt es bei mir nichts. Wer ein Monster sein will, muss sich auch so benehmen und die Rolle ausfüllen. Kumma, das geht so!“

Ich fing also schrill an zu kreischen, schob Brummtöne dazwischen, hob Arme und Beine und hatte immer noch die Zahnbürste im Mund. Mein kleines Monster gegenüber machte zaghaft mit. „Das übst Du jetzt und wenn ich wiederkomme, klappt das, ja!?“ „Is gut!“ meinte mein Monster  brav und übte los. In der Küche fand ich immerhin noch bestes Kaugummi und 10 Päckchen PEZ-Brausebonbons, leider ohne Spender. Die bekam mein kleines Monster nun, das jetzt immerhin mit den Armen und Beinen wackelte und leise kreischte.